Beitrag von: http://nsuprozess.blogsport.de/
Am 17. April 2013 wird in München der Prozess gegen das NSU-Mitglied
Beate Zschäpe sowie vier der Unterstützer beginnen: Ralf Wohlleben,
Holger Gerlach, Carsten Schultz und André Eminger.
Ein breites antifaschistisches Bündnis ruft deshalb zu einer
bundesweiten Großdemonstration in München am Samstag vor Prozessbeginn
auf.
!Den Aufruf findet ihr, wenn ihr auf weitere Informationen klickt!
Im November 2011 wurde bekannt, dass die rassistischen und
mörderischen Taten der Nazis des Nationalsozialistischen Untergrundes
(NSU) sieben Jahre lang unter den Augen der Sicherheitsbehörden begangen
wurden. Sie haben zehn Menschen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge
verübt. In den Medien wurde der Begriff „Döner-Morde“ geprägt und die
Sonderkommission gab sich den Namen „Bosporus“. Damit schloss die
Polizei von Anfang an rassistische Hintergründe der Morde aus,
behandelte die Opfer wie Täter und ermittelte in Richtung organisierter
„Ausländer-Kriminalität“.
Durch die rassistischen Ermittlungen der Sicherheitsbehörden wurden
Familien, Verwandte und persönliches Umfeld der Opfer über Jahre
überwacht und akribisch durchleuchtet. Durch den völlig unbegründeten
Verdacht gegen das familiäre Umfeld der Opfer wurden soziale
Zusammenhänge zerrissen und die persönliche Existenz zahlreicher
Menschen zerstört. Der Rassismus von Behörden und Öffentlichkeit
vehinderte so zweifach die Aufklärung der Morde: Während die Hinweise
auf rassistische Hintergründe ausgeklammert und vernachlässigt wurden,
erschien die These, migrantische Gewerbetreibende seien in mafiöse
Strukturen verwickelt, der Polizei und einer breiten Öffentlichkeit
unmittelbar einleuchtend und erübrigte weiteres Nachfragen.
Fünf der insgesamt zehn NSU-Morde fanden in Bayern statt, zwei davon
in München. Zwischen dem „Thüringer Heimatschutz“, in dem die
Haupttäter des NSU vor ihrem Abtauchen organisiert waren, und der
bayerischen Naziszene bestanden in den 90er Jahren enge Verbindungen.
Böhnhardt und Mundlos nahmen an verschiedenen Treffen und
Veranstaltungen der Szene in Bayern teil. Einige der engsten
Unterstützer_innen des NSU lebten oder leben immer noch in Bayern, u.a.
Mandy Struck, deren Identität Beate Zschäpe im Untergrund angenommen
hatte. Mit Tino Brandt und Kai Dalek stehen zwei V-Leute des
Verfassungsschutzes auch für die Verbindung zwischen der thüringischen
und der bayerischen Naziszene.
„Deutschland hat ein riesiges Rassismus-Problem“, sagte Kenan Kolat,
Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Anfang
November.
Der strukturelle Zusammenhang von Naziterror mit staatlichem und
alltäglichem Rassismus in Gesellschaft, Politik und Medien zeigte sich
bei der faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl nach den
Pogromen Anfang der 90er Jahre wie auch jetzt bei aktuellen
Anti-Islam-Kampagnen: Der Rassismus ist tief verankert in der Mitte der
Gesellschaft. Dass sich auch nach dieser Mordserie nichts
Grundsätzliches im Bewusstsein der Menschen verändert hat, verdeutlichen
folgende Beispiele: Zwanzig Jahre nach dem Pogrom in
Rostock-Lichtenhagen kämpfen Flüchtlinge immer noch für elementare
Menschenrechte in Deutschland, werden Roma stigmatisiert und in eine
unsichere Zukunft abgeschoben. Hier lebende Migrant_innen werden täglich
diffamiert, bedroht, angegriffen und kriminalisiert.
Die Verharmlosung und Vertuschung von Rassismus und Naziterror hat
Tradition in diesem Land. Rechte und rassistische Gewalttaten und Morde
haben in Deutschland eine traurige Kontinuität. Die blutige Spur reicht
vom bis heute unaufgeklärten Oktoberfestattentat, über die rassistischen
Anschläge und Pogrome in Rostock, Mölln, Solingen und Hoyerswerda, über
die seit 1989 rund 200 Morde an Migrant_innen, Obdachlosen, Punks und
Antifaschist_innen bis hin zu den Morden des NSU.
München war dabei schon viele Male Schauplatz neonazistischen
Terrors: Bei dem bisher größten faschistischen Anschlag in der BRD
wurden 1980 durch einen Täter aus dem Umfeld der Wehrsportgruppe
Hoffmann auf dem Münchner Oktoberfest 13 Menschen getötet und weitere
200 zum teil schwer verletzt. 1981 lieferten sich Neonazis auf dem Weg
zu einem Bankraub mit Polizeibeamten in München eine Schießerei, bei der
zwei Neonazis starben. 1985 setzten Neonazis der Gruppe Ludwig ein
Lokal in der Schillerstrasse in Brand, wodurch eine Person getötet
wurde. 2003 beschafften Neonazis aus der Kameradschaft Süd sich Waffen
und Sprengstoff und planten u.a. einen Anschlag auf die Grundsteinlegung
des neuen jüdischen Gemeindezentrums.
Seit Bekanntwerden der Mordserie des NSU offenbart sich eine
erschreckende Politik der Verschleierung: Geschredderte und
verheimlichte Akten, konsequentes Vertuschen und Lügen in
Untersuchungsausschüssen, wenige, viel zu späte Rücktritte von
Verantwortlichen. Eine transparente, schonungslose Aufklärung der Rolle
von Geheimdiensten und Polizeibehörden findet bisher nicht statt. Statt
ernsthafte politische Konsequenzen zu ziehen gegen Rassismus und die
skandalöse Unterstützung des Aufbaus von Nazistrukturen durch
Mitarbeiter_innen des (bayerischen) Verfassungsschutzes, reden die
verantwortlichen Politiker_innen weiter von vereinzelten Pannen.
Rechte Gesinnung hat beim Verfassungsschutz (VS) Kontinuität:
Gegründet im Jahre 1950 mit ehemaligen Nazis sorgte er dafür, dass
Widerständler_innen gegen den Nationalsozialismus erneut in deutsche
Gefängnisse kamen. In den 60er Jahren bekämpfte er die
Student_innenbewegung, in den 70er und 80er Jahren lieferte er das
Material für die Berufsverbote linker Aktivist_innen. Vor neun Jahren
scheiterten die Pläne für ein NPD Verbot nicht zuletzt daran, dass diese
bis in die höchsten Führungsetagen von V-Leuten und Spitzeln des
Verfassungsschutzes durchsetzt war. Auch das ummittelbare Umfeld des NSU
ist durchsetzt mit V-Leuten aus Verfassungschutz und Polizei.
Deshalb kann die einzige Konsequenz aus der Verstrickung der
Behörden nur sein: Verfassungsschutz abschaffen! Wir müssen verhindern,
dass die Regierung die NSU-Morde instrumentalisiert, um ihren
Sicherheitsapparat weiter aufzurüsten, und damit endgültig eine der
wenigen Konsequenzen aus dem deutschen Faschismus – die Trennung von
Geheimdiensten und Polizei – rückgängig macht.
Unsere Anteilnahme und Solidarität gilt den Opfern des NSU-Terrors
und ihren Angehörigen. Sie wurden nicht nur Opfer des militanten
Rassismus der NSU-Täter_innen, sondern auch in der Folge noch durch die
rassistischen Ermittlungen der Polizei drangsaliert.
Bekämpfen wir gemeinsam Rassismus in Gesellschaft, Politik und Institutionen!
Entschädigung für die rassistischen und diffamierenden polizeilichen Ermittlungen!
Schonungslose Aufklärung der Verstrickung von Geheimdiensten und Polizeibehörden!
Verfassungsschutz abschaffen!
Neue Ermittlungen zur Aufklärung des Attentats von 1980 in München!
Abschaffung aller rassistischen Gesetze – kein Mensch ist illegal!
Für eine rassismusfreie, solidarische Gesellschaft
In diesem Sinne, unterstützt das Bündnis und den Aufruf!!